Eine Ausstellung in der Rittergallery – Klagenfurt
Viele zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler referieren in ihrer Arbeit auf die Historie der konkreten und konstruktiven Kunst und der Minimal Art oder bauen bewusst darauf auf. Andere wiederum verwenden Versatzstücke des traditionellen Formenvokabulars wie Quadrat, Linie oder Fläche, weil sie neutrale Elementardarstellungen ohne vordergründige Bildreferenz repräsentieren.
In diesem Spannungsfeld bewegen sich die minutiös durchkomponierten Arbeiten Eric Kressnigs. Die Klagenfurter Ritter Gallery zeigt nun neben einem großformatigen Diptychon von 2012 eine Reihe aktueller Werke des seit vielen Jahren in Wien lebenden Kärntner Künstlers. Der Titel der neuen Serie, „like pictures“, impliziert schon, dass der Begriff des Bildes allein für Kressnigs Arbeiten zu wenig fokussiert, zu wenig ausreichend ist. Denn seine geometrischen Motive drängen über die Bildfläche seitlich auf den Rahmen hinaus und lassen die klassische Form des Tafelbildes zum Bildkörper werden. Die teils bemalten Seitenkanten der Bildträger beziehen ihrerseits die unmittelbar angrenzende Wand ins Kunstwerk mit ein. Wir haben es hier also gleichsam mit Bildräumen zu tun, die sich nicht zuletzt durch ihre tatsächliche Tiefe und malerische Differenziertheit auszeichnen.
In seiner theoretischen oder philosophischen Größe wird Raum immer auch subjektiv wahrgenommen. Jeder Mensch erfährt Raum oder gliedert räumliche Strukturen aus einer sehr persönlichen Perspektive heraus. Ihm liegt also nicht nur eine geometrische Bemessung zugrunde, sondern das, was Raum ist oder sein kann, wird immer auch individuell definiert. Eric Kressnig sind zwar malerische Flächen sehr wichtig, er belässt sie jedoch nicht in der Fläche, sondern versucht sie optisch aufzulösen und als Erweiterung der Fläche in den Raum zu bringen. Das spielerische Nebeneinander der meist pastellig gehaltenen Farben, die Interaktion von Streifen, keilartigen Formen und geometrischen Flächen lassen den komplexen Bildaufbau mitunter nicht leicht erkennen. Doch der Rhythmus des Bildmotivs, Bewegung und Gegenbewegung innerhalb der geometrischen Strukturen sind von Kressnig wohl durchdacht.
Ähnlich wie Vertreter der Op-Art oder der Kinetischen Kunst spielt Kressnig auch mit dem Phänomen der menschlichen Perzeption. Die Betrachter sind aufgefordert, sich partizipatorisch vor der großen zweiteiligen Arbeit zu verhalten. Nur durch das Einnehmen unterschiedlicher Blickachsen und die aktive Bewegung vor dem Bildkörper können die perspektivisch-geometrischen Verwerfungen und räumlichen Suggestionen im Motiv gänzlich erfasst werden. Durch den keilförmigen Bildträger des Diptychons – der Rahmen verjüngt sich in seiner Tiefe von unten nach oben – mutet die Arbeit in ihrer Neigung nach hinten schief an. Auch im Motiv selbst verlässt Kressnig den rechten Winkel, sodass es im Verhältnis zum Bildträger leicht verzogen bzw. gekippt erscheint, was im Sinne der optischen Kunst zu weiteren Irritationen in der Wahrnehmung der Betrachter führt.
Eric Kressnig konzentriert sich auf die haptischen und ästhetischen Qualitäten der verwendeten Materialien und Farben und nutzt auf vielfältige Weise geometrisches Formenvokabular als Handwerkszeug für die bildnerische Strukturierung seiner Werke. Es geht ihm um das Konstruktive, um offene Strukturen im Raum und um die motivische Verdichtung des Raums. Auf geschickte Weise bezieht Kressnig immer wieder Elemente des direkten Umraumes mit ein. Ganz wichtig ist ihm der Weg von der Wand, auf der zuweilen farbliche Reflexionen der bemalten Seitenkanten in ephemerer Art und Weise zu Tage treten, über den Bildkörper zur Fläche, die wiederum durch Tiefenillusionen in den Raum zurückdrängt.
Der Künstler sucht stetig die innere Logik seiner durchkonstruierten Arbeiten malerisch zu erfassen, lässt partiell den Leinenstoff unbehandelt respektive nur mit einer transparenten Imprägnierung versehen stehen und verwendet ihn gleichsam als Farbe. Somit verwendet Kressnig Farbe als Material und unterzieht sie nicht wie viele der konkreten Kunst nahestehenden Künstler einem analytischen Prozess. Vielmehr dient seine subjektive Farbwahl, jenseits eines ideologischen Korsetts, als Instrument zur Steigerung des Objekthaften.
PARNASS - Kunstmagazin / September 2014