Die künstlerische Arbeit von Eric Kressnig ist von Beginn an geometrisch abstrakt orientiert, ohne sich dabei in eine historische Reihe einfügen zu wollen. Das Werkzeug liefert eine konzeptuelle Denkart und eine minimalistische, konstruktive, konkrete Formensprache. Inhaltlich erstreckt sich das Arbeitsfeld jedoch über die Dispositionen der Moderne hinaus in postmoderne sowie aktuelle zeitgemäße, medial beeinflusste Bereiche der Kunstproduktion und der Rezeption. Dazu kommt eine Vorliebe für Architektur, Mathematik, Literatur und Musik sowie die Intention zur Interaktivität und sinnlichen Erfahrung von Kunst, die die Arbeit ebenso prägen wie eine leidenschaftliche Sammlertätigkeit, die sich auf visuelle Dokumente, sprich Fotografien der medialen Kunstrezeption, bezieht.

Die grundsätzlichen Fragestellungen, die am Ausgangspunkt der künstlerischen Tätigkeit von Eric Kressnig stehen, sind jene nach der Kunstproduktion selbst, nach ihrem Gegenstand, dem Werk und seinem Vermögen, seiner Wirkung innerhalb des eigenen Kontexts sowie in der Wahrnehmung anderer, nach dem künstlerischen Prozess, seinen Mitteln und Bedingungen. Überprüft werden diese Parameter anhand vielfältiger Untersuchungen von Techniken und Methoden, von Materialien und ihren Eigenschaften, von Farben und Formen und von Ergebnissen, in ihrer Referenz auf Raum und Betrachtende.

Eric Kressnigs inhaltliche Auseinandersetzung, die Testung der mannigfaltigen Bedeutungs- und Funktionsebenen des Kunstwerkes, spiegelt sich in den unterschiedlichen Gattungen, derer sich der Künstler bedient, wider. In der Malerei, der Zeichnung, der Fotografie, Objektkunst und Rauminstallation, in der alle Techniken nochmals zusammengeführt werden, bis hin zu performativen und partizipativen Praktiken wird dieselbe Thematik jeweils medienspezifisch exemplifiziert, um sich den Fragestellungen, die einer richtungsweisenden Systematik folgend quasi umkreist werden, möglichst von allen Seiten anzunähern. In einem diskursiv-explorierenden, schlüssigen Prozess der Rückversicherung werden die diversen künstlerischen Möglichkeiten folgerichtig gleichzeitig genutzt.

Dabei steckt sich der Künstler den Rahmen, in dem er sich ausführend bewegt, relativ eng. Es geht nicht um große Würfe, sondern interessant sind die kleinen Schritte, die Feinheiten und ihre Effekte auf Werk und Wahrnehmung. Es geht um Stufen, die gesetzt und Schwellen, die unter- oder überschritten werden (müssen), um einen Grenzgang entlang der Linie zwischen den Polen von Sichtbarem und Unsichtbarem, Realität und Illusion, Statik und Dynamik, Zwei- und Dreidimensionalität und um die Räume dazwischen – die Zonen der Übergänge – die das eigentliche Feld sind, auf dem sich die Arbeit von Eric Kressnig aufspannt.

Programmatisch vorgeführt wird der spezielle künstlerische Ansatz von Eric Kressnig bereits 2003 im installativen Objekt „The door is an open field”, das als relationales, integratives Werk im Zentrum des Œuvres angesiedelt ist. Hier laufen die abstrakten gedanklichen Fäden zusammen und verbinden sich in der interaktiven Nutzung durch die Rezipierenden zur unmittelbaren, maximalen (körperlichen) Erfahrung. Es ist ein Vehikel zum Verständnis der artifiziellen Denk- und Gestaltungsprozesse des Künstlers – ein flexibles, variables, skulpturales Erfahrungsobjekt, das die Benutzenden im Handlungsvollzug, im Ausmessen der räumlichen Gegebenheiten in physische und geistige Schwellensituationen manövriert und das Dazwischen im Sinne eines undefinierten Bereichs, als Übergang von einer Konstante in eine andere begreifbar macht.

Der Ausgangspunkt all dieser künstlerischen Überlegungen liegt in der Malerei, die von Eric Kressnig als ein intellektuelles Modell verstanden wird. Sie wird von einem grafischen Werk begleitet, das sich ebenfalls und in Wechselwirkung zur Malerei der Beschäftigung mit Strukturen widmet und sich in der Führung von Skizzenheften, die in unmittelbarem Produktionszusammenhang mit der Malerei stehen, sowie in autonomen Blättern und Serien von Handzeichnungen und Drucken artikuliert. Hinzu kommen zeichnerisch bestimmte Objekte und die Wandzeichnung im Sinne einer raumgebundenen Gestaltung in situ.

Die Malerei Eric Kressnigs ist bestimmt von einer logisch-formalisierten Arbeitsweise, mit den klassischen Behelfen von Pinsel, Leinwand und Acrylfarbe. Sie beruht auf einem penibel kalkulierten Konzept, basierend auf einer konsequenten Minimalisierung und Objektivierung der Mittel sowie einer strengen Geometrisierung der Form, die Transparenz in der Gestaltung und diskursive Stringenz ermöglichen.

Kressnigs Malerei ist charakterisiert durch eine differenzierte Farbigkeit. Die Töne sind exakt gemischt und erzeugen in übereinander gelegten dünnen Schichten eine reiche Nuancenvielfalt. Sie werden als weitestgehend neutrale Farbformen, suggestions- und assoziationsfrei, äußerst präzise, geplant und kontrolliert in den Bildern eingesetzt. Homogen aufgetragen unterscheiden sie sich lediglich in kreidigen oder lasierend-glänzenden Oberflächen. Die Skala ist meist auf wenige helle Töne beschränkt, die sich anfangs im Bereich von sehr feinen tonigen Stufen von Grau1 und Blau mit Weiß, oder auch Grün, Gelb und Schwarz, an der Grenze zum gerade noch Sichtbaren bewegten, sodass die einzelnen farbigen Formschichten am Scheidepunkt des Erkennbaren lagen und von den Rezipierenden einen konzentrierten, intensiven Akt der Betrachtung verlangten. Mit der Zeit wurde die Palette, wenn auch immer pastellig gehalten, etwas bunter. Zartes Rosa und Orange kamen dazu. Bedeutend ist auch die Farbe der ungrundierten Leinwand, ein Graubraun, das als ebenbürtiger formaler Wert in die Arbeit einbezogen wird. Der Grund wird entscheidender Teil der farbigen Struktur. Diese wiederum überschreitet ebenso ihr Terrain, indem sie über die Bildkanten geführt wird, die mit den Jahren immer stärker wurden, um das Volumen des Bildkörpers zu vergrößern und so den dreidimensionalen Objektcharakter des Werks zu steigern. In der Ausweitung der bildnerischen Systeme über mehrere Bildobjekte, in Diptychen oder noch größeren Reihen von vier, sechs oder mehr Bildern in rektangulärer Sortierung, die miteinander und mit dem Umraum kommunizieren, wird der Anspruch auf räumliche Signifikanz noch deutlicher unterstrichen. Die Flächengliederung der Malerei ist klar proportioniert und häufig symmetrisch angelegt, gebaut aus parallelen oder rechtwinkelig zueinander gesetzten Streifen. Die Diagonale, die mitunter nach allen Richtungen und in verschiedenen Winkeln gezogen wird, dient als konstruktives, raumschaffendes Element, das nicht nur die malerische Anlage, sondern das gesamte Gebilde optisch in Bewegung versetzt und seine festgeschriebenen Determinanten auflöst. In der Grenzverwischung der künstlerischen Kategorien von Malerei, Plastik und Skulptur und in der Nivellierung der hierarchischen Konventionen von Figur und Grund verschmelzen der konkrete Raumkörper und die malerische Illusion zu einem herausfordernden, ambivalenten Objekt der Wahrnehmung für die Rezipierenden.

Über die Erfassung der visuellen Gestalt, der Struktur, entschlüsselt sich für sie die Anlage des Werks. Darüber lässt sich in systematischen Stufen die künstlerische Erörterung über die Etablierung und die Definition des bildhaften Resultates ablesen. Um die Nachvollziehbarkeit des konstituierenden Prozesses zu gewährleisten, mussten die technischen, methodischen und ästhetischen Faktoren auf ihre Mindestanforderungen reduziert werden, um dergestalt in einer sachlichen, konkreten Normsprache die medienbezogenen Recherchen im (erweiterten) Feld der Malerei formulieren zu können. Am Bild beziehungsweise Bildobjekt, das als analytisches Modell, als „vielfältige Reflexionsmaschine“ (Eric Kressnig) und als Dokument der künstlerischen Denkweise verstanden werden will, manifestieren sich sowohl die künstlerischen Fragestellungen als auch die Antworten. Die einzelnen Ebenen des mehrstufigen Kompositionsschemas markieren die Bildbausteine – Fläche, Rahmen, Körper – und die verschiedenen Reflexionsebenen, verweisen auf ihre Relation zueinander und zum außerbildlichen Bereich, zu Umraum und Betrachtenden, und sondieren die Übergänge zwischen den Kategorien: zwischen Bild, Objekt und Wand, zwischen Fläche und Raum, zwischen Farbe und Nichtfarbe. Im dichten Netz der Bezüge und in der jeweiligen Kohärenz gibt sich das rational-bemessene, faktische Werk als variable Größe zu erkennen, die jeweils vom Standpunkt der Anschauung abhängig ist, der die Relationsebene zwischen Werk, Körper und Raum darstellt.

Eric Kressnig verwendet neben dem metrischen System die eigenen Körpermaße, seine Größe von genau 195 cm, die Elle, die Daumenlänge, Finger- oder Armspanne, als grundlegende Maßeinheiten für bestimmte Objekte. Dabei greift er auf ein altes, vor der Einführung des dezimalen gängiges System zur Erfassung räumlicher Dimensionen zurück. Der menschliche Körper – die Elle, der Fuß, die Handspanne – diente seit der Antike als Vorgabe für gültige Messgrößen, die sich teilweise sogar bis heute erhalten haben. Insbesondere wurden die Körpermaße aus ergonomischen Gründen für die Fertigung von Gebrauchsgegenständen herangezogen. Dementsprechend setzt Kressnig sie für Werke ein, die von ihm und anderen in künstlerischen Handlungen benutzt werden sollen. Der Körper des Künstlers ist Teil der Formgestaltung und der Künstler schreibt sich dadurch unmittelbar in das Werk ein – jedoch jenseits von subjektiver Handschriftlichkeit, emotional-expressiver oder psychologischer Geste. Die Körpermaße werden zum Richtwert der Werke so wie zum Relationspunkt für die räumlich-architektonische Situation und die in Interaktion beteiligten Rezipierenden (wie in „Cheval Blanc 1800 oder Albona und die Pferde“). An dieser Stelle wird das absolute, objektive Konzept aufgebro chen. Subjektive Anteile von Künstler und fremden Akteur*innen fließen in die Arbeit ein (oder könnten einfließen, wie es zum Beispiel in der Installation „Lontano“ suggeriert wird), die dadurch zu einem Gegenstand beziehungsweise Setting einer alltäglichen Handlung und einem Instrument der Erfahrung wird. In der näheren Beschäftigung zeigen sich im Werk noch weitere Einflüsse durch persönliche Aspekte des Künstlers. Etwa in der Fertigung, die von Eric Kressnig nach einem konstruktiven Prinzip in höchster Handwerksqualität – auf die er explizit Wert legt – selbst ausgeführt wird. Seine Liebe zur Architektur und sein Interesse für Design verbinden sich mit der künstlerischen Arbeit. Die starren Kategorien lösen sich im künstlerischen Prozess auf, um klassische Definitionen und Bewertungen der Genres zu hinterfragen. Zugleich erzählt der Künstler etwas über sich, seine Neigungen, seine Herkunft, Ausbildung und Sozialisierung.

Überraschend und unvermutet erschließt der Künstler Rückbezüge, die das Persönliche, Individuelle und Subjektive, das Unkalkulierbare, Intuitive und Zufällige, das Un-Logische und Nicht-Objektive, also den menschlichen Aspekt in die künstlerische Arbeit integrieren. Durch die Erzählungen des Künstlers und die Erfahrungen der Rezipierenden erhält das Werk über dies gesellschaftliche Relevanz.

Damit überwindet Eric Kressnig den rigorosen Formalismus von Konstruktivismus und Minimal Art und hebelt die Hermetik der zwingenden, makellos-nüchternen Ordnung aus Farbe und Form aus, die auf einem minutiösen Regelwerk, einer peniblen, logisch-konsequenten Ordnung und auf absoluter Ästhetik und Perfektion beruhen. Darüber hinaus spielt er der Kuns die Kategorien von Material- und Handwerksqualität sowie Funktionalität zurück, ohne in überwundene Konventionen der Kunstgeschichte zurückzufallen. Vielmehr begründet sich hier eine Infragestellung von zeitgenössischem Werkbegriff und Autorenschaft, insbesondere vor dem Hintergrund digitaler und virtueller Tendenzen, sowie ein nachdrücklicher Widerstand gegen inflationäre industrielle Massenproduktion, mit der eine allgemeine Entwertung von Werkstoffen und traditionellem Können einhergeht.

Schlussendlich gibt der Künstler zu erkennen, dass es ihm insgesamt nicht um die Etablierung eines neuen Systems, einer neuen Ordnung geht, sondern dass vielmehr verbindliche Systeme und vorgeschriebene Ordnungen in komplexen bildnerischen Diskursen subtil in Zweifel gezogen werden.

1 Wobei das Grau als Maßstab, als relationale Ebene zu den anderen Farbtönen, zu verstehen ist.